Zur Hamburger Anhörung am 21. Juni 2018 zu Operationen an Kindern mit Variationen der Geschlechtsmerkmale

Am 21. Juni 2018 fand im Hamburger Rathaus auf die Große Anfrage (Drs. 21/9670) eine Anhörung zu „Operationen an Kindern mit Variationen der körperlichen Geschlechtsmerkmale“ statt. Der Wissenschaftsausschuss der Hamburger Bürgerschaft hatte dazu vier Auskunftspersonen geladen: Prof. Dr. Konstanze Plett, Juristin und Mitverfasserin der Verfassungsklage der „Dritten Option“, Ursula Rosen, Vertreterin des Vereins „Intersexuelle Menschen e. V.“, Dr. Michaela Katzer von der Hochschule Merseburg und Dr. Katinka Schweizer vom Institut für Sexualforschung am Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf.

Während der gut besuchten, dreistündigen Anhörung wurde ein großes thematisches Interesse signalisiert. Die Auskunftspersonen waren sich einig, dass Operationen am Genitale von Kindern, die medizinisch nicht lebensnotwendig sind, zu unterlassen seien, um das Recht auf körperliche Unversehrtheit zu wahren. Unter diesem Link der Tageszeitung (taz, 26.06.2018) ist ein Bericht über die Anhörung zu finden.

„Das Thema ist komplex, viel Einarbeitung ist nötig“, betonte Schweizer. Es herrsche Uneindeutigkeit darüber, welche Formen zu Intergeschlechtlichkeit und diverse sex development (dsd) gezählt werden. Zum Beispiel würden sog. Hypospadien, bei denen die Harnröhre an der Unterseite des Genitales endet, irrtümlicherweise nicht hinzugezählt, erklärte Ursula Rosen. Und sollte man ein Kind mit Hypospadie operieren, um es ihm zu ermöglichen, im Stehen Wasser zu lassen? Wie sehr ist dies für die Identität eines Heranwachsenden von Bedeutung, und kann man hier von einem „medizinisch notwendigen“ Eingriff sprechen? Solchen und anderen Fragen widmete sich der Ausschuss. Trotz der neuen AWMF-Leitlinien (2016), welche zu äußerster Zurückhaltung bei irreversiblen, nicht notwendige Operationen an Kindern auffordern, waren sich die Auskunftspersonen einig, dass eine Legislative zur Regulation nötig ist. Offen sei, wenn die Leitlinien nicht eingehalten werden und doch eine Operation stattfindet, wer klagt dann? „Die Eltern werden nicht klagen, sie sind im Zweifel Befürworter_innen von Operationen, und die Kinder sind oft zu jung“, so Plett. Rosen verwies auf einen weiteren problematischen Aspekt: Es bestehe die Gefahr, geschlechtsangleichende, nicht notwendige Operationen durch andere Begrifflichkeiten zu rechtfertigen.

Am Ende der Veranstaltung standen Forderungen an die Politik – zur Verbesserung der Beratung und Unterstützung von Eltern intergeschlechtlicher Kinder, um Operationen, die später bedauert werden, zu vermeiden. Medizinische Diagnostik und Aufklärung sollten von psychosozialer und peer-to-peer-Beratung begleitet sein. Unabhängige Beratungsstrukturen für die Zukunft und der Blick in die Vergangenheit, eine Aufarbeitung der Hamburger Geschichte im Umgang mit Intergeschlechtlichkeit, seien notwendig.