„Weiblich, männlich und … divers?“ – Buchvorstellung und Podiumsdiskussion an der IPU Berlin

MANN_INTER_FRAU (Foto und Skulptur: Fabian Vogler)

Am 7. November 2018 fand an der International Psychoanalytic University (IPU) Berlin eine Podiumsdiskussion und Buchvorstellung mit dem Titel „Weiblich, männlich und … divers?“ statt. Vorgestellt wurde der in diesem Jahr bei CAMPUS erschienene Sammel- und Bildband „Die Schönheiten des Geschlechts: Intersex im Dialog“, herausgegeben von Katinka Schweizer und Fabian Vogler. Er umfasst eine Vielzahl inter- und transdisziplinärer Beiträge zum Titelthema,  zahlreiche Bronzearbeiten des Bildhauers Fabian Vogler sowie künsterlische Interventionen weiterer internationaler Künstler_innen.

Das Interesse an der Veranstaltung war groß, an die 100 Teilnehmende, Studierende der IPU und Interessierte waren der Einladung gefolgt. Die Veranstaltung wurde aufgezeichnet, und ein Podcast zum Nachhören ist hier zu finden.

Die von Vogler exklusiv für den Abend mitgebrachten und ausgestellten Bronzen fielen ins Auge und regten Publikum und Mitwirkende an. Bei den drei Skulpturen handelte es sich um die Arbeiten „MANN_INTER_FRAU“, „YPSILON“ und „IX“. Als neue Präsidentin der IPU eröffnete die Psychoanaltytikerin, Soziologin und Psychologin Prof. Dr. Ilka Quindeau die Diskussion, indem sie die Diskutant_innen nach ihren Zugängen zum Thema fragte und auf die gesellschaftliche Debatte einging. Auf dem Podium diskutierten Lucie Veith (Intersexuelle Menschen e. V.) und Prof. Dr. Konstanze Plett (Juristin), die beide auch als Buchautor_innen mitgewirkt hatten, mit Fabian Vogler und Dr. Katinka Schweizer.  Bedauerlicherweise absagen musste Dr. Ina-Marie Blomeyer vom Bundesfamilienministerium.

Dichotomes Geschlechterdenken, d.h. die Vorstellung, das Menschen entweder weiblich oder männlich seien, sei eine gefährliche Simplifizierung und Vogler zufolge ein „gesellschaftliches Konstrukt“. Tatsächlich sei das im 19. Jahrhundert eingeführte  Personenstandsgesetz (PStG) – aufgrund der fehlenden Definition des Begriffs „Geschlecht“ –  prinzipiell offen für jede Auslegung gewesen, jedoch durch das Geschlechterverständnis innerhalb der Medizin  dichotomisiert worden, so Plett.

Eine zentrale Problematik des für den Umgang mit Intergeschlechtlichkeit so wichtigen interdisziplinären Diskurses bestehe laut Schweizer in der Schwierigkeit der beteiligten Fächer, sich verständlich füreinander auszudrücken und miteinander auf Augenhöhe im Austausch zu sein.Im Fokus stand schließlich der aktuelle Gesetzesentwurf zur Änderung des PStG und die Einführung einer dritten positiven Geschlechtskategorie. Veith hob hervor, dass es dabei eigentlich um eine vierte Option gehe. Seit 2013 müsse nämlich bei einem Kind, das weder dem weiblichen, noch dem männlichen Geschlecht zugeordnet werden könne, der Eintrag offen gelassen werden. Der neue Gesetzesentwurf eröffne nun neben dem Offenlassen die Möglichkeit, die Kategorie „divers“ zu wählen. Vor allem kritisierte Veith die im Gesetzesentwurf vorgesehene Verpflichtung, eine körperliche Mehrdeutigkeit oder „Uneindeutigkeit“ durch eine ärztliche Bescheinigung nachweisen zu müssen, um eine Änderung des Eintrags im Geburtenregister herbeizuführen. Neben einem erneuten „Abstempeln“ von Menschen mit einer Variation der körpergeschlechtlichen Merkmale als „unnormal“ seien damit Menschen ausgeschlossen, die keine medizinischen Nachweise erbringen können, betonte Veith. Gleichzeitig räumte Veith ein, dass ein perfekter Gesetzesentwurf wahrscheinlich utopisch sei: „Ein Prozess ist angestoßen, die Dinge entwickeln sich weiter, und das ist sehr positiv.“

Letztendlich zeichnete sich als gemeinsame Zielvorstellung der Podiumsmitglieder ab, den Geschlechtseintrag im Geburtenregister für alle Menschen offen zu lassen. „Wenn man mit jemandem tanzt, lässt man sich ja auch nicht erst einmal die Geburtsurkunde zeigen, um zu sehen, ob das Häkchen an der richtigen Stelle ist.“, führte Vogler die Absurdität des Geschlechteintrags vor Augen. Durch den Wegfall der Wehrpflicht für Männer und die Einführung der Ehe für alle sei das PStG noch leerer geworden, so Plett.

In der Diskussion mit dem Publikum im Hörsaal der IPU kamen schließlich auch genuin psychoanalytische Fragen auf, etwa zu traditionellen Konzepten und Vorstellungen wie „Kastrationsangst“ und der Entwicklung des Begehrens. Hier ist der Diskurs noch ziemlich am Anfang. Im vorgestellten Buch finden sich einige psychoanalytisch inspirierte Beiträge (etwa von Almut Rudolf-Petersen, Barbara Ruettner & Lutz Götzmann, sowie Katinka Schweizer, Viktoria Märker und Fabian Vogler) und es bleibt zu hoffen, dass sich das Interesse der psychoanaltytischen Aus- und Weiterbildungsinstitute an der Intersexthematik wieder öffnet. Dies wäre ganz im Sinne Sigmund Freuds. Die IPU hat hier ein Beispiel gesetzt.

Hier finden Sie weitere Informationen zur Veranstaltung und dem Veranstaltungsort und den Podcast der Veranstaltung zum Nachhören.