Gastbeitrag „Kluge Frauen kämpfen um Gendergerechtigkeit“

In diesem Jahr konnte man in Deutschland zwei Filme sehen, in denen der Kampf von Ruth Bader Ginsburg um die Gleichberechtigung von Frauen und Männern in den USA dargestellt wurde: „RBG – Ein Leben für die Gerechtigkeit“ und „Die Berufung“. Sie ist seit vielen Jahren Richterin am höchsten Gericht in den USA, dem Supreme Court,  und hat durch juristisches Wissen und Geschick gegen die Männerphalanx erreicht, durch Grundsatzurteile – die unserem Grundgesetz gleichkommen –  die Gleichberechtigung  zu erkämpfen.

In der bundesdeutschen Vorgeschichte ist Elisabeth Selbert zu erwähnen. Sie  saß nach dem Krieg im Parlamentarischen Rat, um das zukünftige Grundgesetz zu formulieren. Gegen den Widerspruch und gegen eine als übermächtig erscheinende Männerwelt konnte sie für das Grundgesetz  durchsetzen: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“.  Dennoch gab es mehrere gesetzliche Vorschriften, die dem entgegenstanden. Im damaligen Paragraph 1628 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) wurde z. B. vorgeschrieben, dass der Vater in Erziehungsfragen das letzte Wort habe, in einem „Stichentscheid“ wurde dem Patriarchat ein Vorrecht eingeräumt, im klaren Widerspruch zum Grundgesetz.

Dr. Erna Scheffler war die einzige Frau unter den Richtern des seit 1951 bestehenden Bundesverfassungsgerichts. Mit kluger Argumentation konnte sie die verfassungswidrige Formulierung des Stichentscheides zu Fall zu bringen. Der Gerichtsbeschluss von 1959 löste unter den Anhängern einer patriarchalischen Familienordnung einen Sturm der Entrüstung aus. (Nachzulesen in „Zeithistorische Forschungen“  Online-Ausgabe, 2 (2005)).

In den letzten Jahren ging es in Deutschland um die Frage, ob Menschen mit der medizinischen Diagnose „Varianten der Geschlechtsentwicklung“ (englisch abgekürzt DSD) bzw. intersexuelle Menschen neben weiblichen und männlichen Personen im Personenstandsrecht (PStG) eigenständig anerkannt werden. In einem Gesetz von 2013 wurde für diese Menschen vorgeschrieben, sich neben weiblich oder männlich  zwangsweise als „nicht eingetragen“, also quasi ohne Geschlechtszugehörigkeit registrieren zu lassen.

Hier sollen die Verdienste von Prof. Dr. Konstanze Plett herausgestellt werden, die sich um die rechtliche Anerkennung von intersexuellen Menschen verdient gemacht hat. Als Klagevertreterin einer einzelnen Person legte sie beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) neben Prof. Dr. Wapler und Rechtsanwältin Niedenthal so viele Gutachten und internationale Stellungnahmen vor, dass das BVerfG in ihrem Sinn entscheiden musste: Mit ihrer klugen Argumentation erreichte sie, dass die Binarität der Geschlechter, die gesetzlich vorgeschriebene Zweigeschlechtlichkeit,  aufgebrochen wurde. Die Rechte der Personen, die nicht ins Schema von nur Mann oder nur Frau passen, – das BVerfG sprach von der „Dritten Option“ – wurden vom BVerfG  2017 anerkannt.  Diese rechtliche Anerkennung einer Dritten Option ist das entscheidende Faktum. Das ist unabhängig davon, ob viele oder nur wenige Menschen sich offiziell zum neu formulierten Status „divers“ bekennen.

Das Bundesverdienstkreuz am Bande, das ihr von der Bundesministerin für Bildung und Wissenschaft Mitte März 2019 verliehen wurde, hat sie darüber hinaus durch viele Publikationen im Kampf um die Menschenrechte der intersexuellen Menschen verdient.

Jörg Woweries, Berlin